loader
IO SONO FRIULI VENEZIA GIULIA
BLOG

Wolkeneis


Wolkeneis

In den Bergen der Region Friaul-Julisch Venetien lebt Cocolo, ein lieber kleiner Bär mit einem weichen Fell. Wie alle jungen Tiere, ist Cocolo sehr neugierig und liebt Abenteuer. Er schnüffelt überall herum und kostet alles, gräbt Löcher in den Boden und klettert wie ein Profi. Er lebt ganz in der Nähe vom Meer und er liebt es, in Grado schwimmen zu gehen, mit dem feinen Sand am Strand in Lignano Sabbiadoro zu spielen und den Meeresgrund im Golf von Triest zu erkunden. Doch eines hat der kleine Bär noch nicht geschafft: einen Sprung in die Wolken. Sie sind so schön weiß und weich, da könnte man glauben, sie sind aus Sahne!
"Ich möchte die Wolken probieren", sagt er eines Tages zu seiner Mama. Dann breitet er seine Arme aus, als wären es Flügel, und fügt hinzu: "Bringst du mir das Fliegen bei?"
"Die Wolken probieren?" brummt Papa Bär, der in einem Baumstamm gerade nach Honig sucht. "Wir können nicht fliegen, wir sind doch viel zu schwer."
 
Doch Cocolo ist ein Dickkopf und gibt nicht so leicht auf. Er möchte das Steinhuhn um Hilfe bitten und macht sich auf den Weg. Steinhühner sind eine Vogelart, die im Naturpark Julische Voralpen lebt. Das Nest des Steinhuhns ist zwar gut versteckt - an einem sonnigen Berghang inmitten von Gestrüpp -, doch der kleine Bär findet es trotzdem.
"Du kannst doch fliegen, oder? Kannst du es mir auch beibringen?"
"Es tut mir leid, aber ich habe gerade viel zu tun. Ich habe wochenlang Eier gebrütet und jetzt muss ich Nahrung für meine kleinen Küken suchen. Sie sind so hungrig, dass sie wirklich alles fressen würden! Ich habe ehrlich keine Zeit, aber du könntest meinen Freund den Adler fragen. Er ist ein wahrer Flugexperte."
Cocolo kratzt sich nachdenklich am Kopf. "Einen Adler? Aber ich habe doch noch nie in meinem Leben einen Adler gesehen..."
"Ah, da brauchst du dir keine Gedanken machen! Das ist ganz einfach. Er ist der König der Lüfte! Mit seinen riesigen Flügeln lässt er sich vom Wind tragen und gleitet durch die Luft. Du findest ihn im Naturpark Friulanische Dolomiten. Sag ihm, dass ich dich geschickt habe."
So macht sich Cocolo also wieder auf den Weg und geht den ganzen Tag und die ganze Nacht lang durch den Wald. Bei Sonnenaufgang erreicht er schließlich den Berggipfel und beobachtet den Himmel. Er schaut hin und er schaut her .... und da! Endlich sieht er ihn. Der Adler ist wirklich majestätisch, sein gebogener Schnabel schaut aus wie ein Haken und die Krallen sind länger als die von Mama Bär! Der Adler hat ihn schon entdeckt, denn nichts entgeht seinem Blick.
"Was machst du denn hier oben? Das ist doch kein sicherer Ort für ein Bärenjunges."
"Das Steinhuhn hat mir gesagt, dass du mir das Fliegen beibringen kannst."
Daraufhin muss der Adler herzhaft lachen. "Das Fliegen beibringen? Aber das ist doch unmöglich, dir fehlen ja ... diese hier" und dabei breitet er seine großen Flügel aus. Cocolo verschlägt es die Sprache. "Warum willst du denn Fliegen lernen, kleiner Bär?"
"Ich möchte die Wolken probieren?"
"Die Wolken probieren? Heiliger Strohsack, so etwas Verrücktes habe ich ja noch nie gehört. Bei all den Köstlichkeiten, die es hier in der Gegend gibt... Murmeltiere, Hasen, leckere Schlangen."
Schlagen? Wie eklig, denkt sich Cocolo. Dann schaut er noch einmal zum Himmel hoch und ist den Tränen nahe, denn er weiß wirklich nicht, wie er da hinauf kommen soll. Der Adler, der ein gutes Herz hat, nimmt ihn väterlich unter seine Fittiche. "Ich kann dir zwar nicht beibringen zu fliegen, aber wenn es dein Traum ist, die Wolken zu probieren, dann will ich dir helfen. Ich habe ein paar Freunde, die im Reservat Cornino See leben. Es sind Gänsegeier und sie könnten dir helfen."
Cocolo kratzt sich wieder am Kopf. "Aber ich habe doch noch nie in meinem Leben einen Gänsegeier gesehen..."
"Hör mir gut zu: Auf dem Kopf und am Hals haben die Gänsegeier keine Federn und ihre Augen sind dunkel und so tief wie Höhlen. Sie sitzen immer zusammen auf dem größten Ast der Großen Eiche, gekrümmt als hätten sie einen Buckel. Ihr Aussehen ist für viele furchteinflößend, aber mach dir keine Sorgen. Sie sind nicht gefährlich."
 
Der kleine Bär verabschiedet sich vom Adler, bricht erneut auf und kommt schließlich ins Reservat Cornino See. Der lange Weg hat ihn müde gemacht! Deshalb beschließt er, sich ein bisschen auszuruhen. Er macht es sich an einen großen Baumstamm bequem und hält ein Nickerchen. Doch als er wieder aufwacht und die Augen öffnet...
Hilfe!!! Dicht zusammengedrängt sitzen auf dem größten Ast des Baumes direkt über ihm zwei komische Vögel, die ihn beobachten.
"Ich hab's dir doch gesagt. Er ist nicht tot!"
"Du hast recht, er war einfach nur todmüde."
Die zwei Vögel brechen in Lachen aus, springen dann vom Ast herab und nähern sich Cocolo mit einer lustigen Verbeugung.
"Sehr erfreut, mein Name ist Mortimer."
"Und ich bin Vlad. Wir haben erfahren, dass ein kleiner Bär unterwegs ist, der Fliegen lernen möchte."
"Oh ja, ja, das bin ich! Der Adler hat mich hierher geschickt. Ich will da hinauf, ich will die Wolken probieren!"
"Hi, hi, hi! Die Wolken probieren! Hast du das gehört, Mortimer? Bei all den leckeren Gerippen, die hier in der Gegend rumliegen, möchte er die Wolken probieren..."
"Vlad, jetzt sei doch mal kein Aasgeier. Wenn er sie wirklich probieren will, so lass uns ihm helfen! Er ist ein kleiner, aber mutiger Bär, der seinen Traum verwirklichen will und dafür belohnt werden soll."
"Aber... Mortimer, hast du denn nicht gesehen, dass er nur aus Fett und Fell besteht? Keine Spur von Flügeln! Wie soll der denn bitte fliegen können?"
"Der Mensch hat auch keine Flügel und ist trotzdem auf dem Mond gelandet, Vlad... Auf geht's, Kleiner. Setz dich auf meinen Rücken und halte dich gut fest. Wir bringen dich da rauf."
Cocolo klammert sich an den zerrupften Hals von Mortimer. Die zwei Gänsegeier breiten ihre Flügel aus, schwingen sich in die Lüfte und im Nu sind sie in schwindelerregender Höhe. Mitten am blauen Himmel befindet sich eine große weiße Wolke.
"Nun los, probier sie und sag uns, wie sie schmeckt!" schreit Vlad, während sich Mortimer der Wolke nähert. Cocolo macht die Augen zu und beißt dann ein Stück Wolke ab. Er ist glückselig. "Sie schmeckt frisch und weich, wie Eis. Ein... Wolkeneis!"

Von Mariaelena Porzio
Edizioni Fondazione Radio Magica onlus