
„Fahren wir doch nach Sauris, man sagt es gibt dort Schnee und ich habe ein wunderschönes Chalet gesehen. Es kostet nicht viel und ist sehr schön und ruhig gelegen. Ich werde vor dem Feuer lesen und du vergnügst dich auf dem Schnee.“ Ich glaube ihr nicht.
Der letzte Schnee ist vor über zwei Wochen gefallen. Aber meine Freundin benötigt einen Kurzurlaub und alles in allem benötige ich Schnee.
Wir brechen früh auf und erreichen bei aufgehender Sonne die Häuser und die charakteristischen Landhäuser von Sauris. Krippen unter perfekten Holzstapeln, Feiertagsstimmung und antike Einfachheit, aber natürlich sehr wenig Schnee. Sogar auf den das Dorf umgebenden Bergen herrscht das Braun der von der Kälte verbrannten Wiesen zwischen weißen Flecken vor. Ale sorgt sich um mich: „Tut mir leid, ich dachte, es gäbe mehr Schnee.“ Ich will sie nicht traurig stimmen: „Keine Sorge, es ist auch so gut, wir werden einen Spaziergang durch die Wälder machen.“, antworte ich, während ich ein bisschen enttäuscht die Schneeschuhe und das Snowboard im Kofferraum betrachte. Aber vom Chalet kommt uns Augusto mit dem Schneemobil abholen. „Wenn das Schneemobil fahren kann, dann kann ich genausogut mit dem Snowboard fahren.“, denke ich bei mir. „Ale, fahre mit ihm, ich fahre mit dem Brett ab.“ Eigentlich sind es weniger als 500 Meter Abfahrt auf der mittlerweile aufgegebenen, alten Skipiste bis zum herrlichen, sorgfältig renovierten „Stavolo“.
Die Eigentümer sind sehr freundlich, sie empfangen uns herzlich und geben uns Tipps, wie wir den Tag verbringen können. „In Sauris di Sotto ist heute jedenfalls der Skilift in Betrieb, wenn du Skifahren willst, oder du kannst nach Casera Razzo aufsteigen, aber die Straße ist wegen Schnee gesperrt.“ Wir beschließen nach Sauris di Sotto zu fahren. Die Piste ist sehr kurz und voll mit Kindern, die Skifahren lernen und mit Schnee und Skiern vertraut werden wollen. „Besser nicht“, lächle ich Ale an, „besser ein gutes Bier zu Speck von Sauris.“ Wir kaufen das Nötige in einem Laden und verzehren unseren Imbiss als spätes Frühstück bzw. frugales Mittagessen vor dem Rathaus. „Ok, lass uns die Straße zur Casera Razzo versuchen“, sage ich, während ich ins Auto einsteige. Tatsächlich ist die Passstraße gesperrt und nicht geräumt, aber für einige Kilometer kommt man mit den Winterreifen trotzdem weiter. Als die Straße anzusteigen beginnt, steigen wir aus.
Die Schneedecke ist von den Schneemobilen kompakt gefahren, weshalb keine Schneeschuhe erforderlich sind. Ich buckle mein altes Snowboard: „Es ist sowieso schon ruiniert, deshalb macht es nichts, wenn es der Asphalt noch mehr zerkratzen sollte. Der Balken der Passstraße ist geöffnet und auf dem Straßenschild, steht, dass der Pass offen ist. Die komplett eingeschneite und für Autos unzugängliche Straße zeigt lächelnd genau das Gegenteil.
Acht Kehren steht auf einem zweiten Schild als die Straße beginnt, den Felsrücken zu erklimmen. Ale, die ich unfreundlicherweise schon einige Meter hinter mir gelassen habe, schreit mir zu: „Geh nur, ich komme mit meinem Tempo nach, ich komme sowieso höchstens bis zur vierten Kehre!“ Das Gebirge, auch wenn es sich in diesem Fall um eine Straße handelt, wird genau so angegangen. Jeder mit seinem Schrittrhythmus. Und in ihren Worten liegt kein Groll oder Zorn, ebenso wie ich ohne Gewissensbisse mit meinem Tempo weitergehe. Ich habe es aber trotzdem nicht eilig, ohne Uhr, ohne Telefon, ohne Gedanken, während sich die Straße vor mir windet. Ohne große Steigungen, regelmäßig und friedlich. Die Stille hüllt die Täler, die Tannen und die Lärchen ohne Schnee ein, die unbeweglich wie alte Wachposten all meine Schritte beobachten. Es ist schön, ohne zu große Anstrengung auf dem weißen Schnee zu gehen und sich dabei umzusehen. Das Atmen wird nie anstrengend und der Blick öffnet sich immer weiter auf die Krone der Berge, die den Pass umgeben und Friaul Julisch Venetien vom Cadore trennen, die Friauler Dolomiten von den venetischen. Auf dem Pass schaut eine ewig stillstehende Bank auf dieses Spektakel und für einen Augenblick schaue auch ich es mir mit ihr an. Ich atme das umliegende Weiß ein, das mit dem Ansteigen immer dichter wurde, schnalle das Snowboard an und gleite langsam die lange weiße, schlangenähnliche Straße hinab, die mich zufrieden und gelassen in das stille Tal von Sauris zurückbringt.
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